Repertoirekunde im SoSe 2023

Freies Seminar

Alan van Keeken, IG Musikwissenschaft, IG Schulmusik und Gäste

Die musikalische Analyse und das „wissenschaftliche Hören“ als Zugang zu unserem Forschungsgegenstand gehören zu den Kernkompetenzen im Studium und gelten als Alleinstellungsmerkmale der Musikwissenschaft. Auch wird (vllt. zu Recht) erwartet, dass wir uns in der reichen, globalen Musikgeschichte und Gegenwart auditiv grob orientieren können, auch wenn wir uns in unserem Beruf – früher oder später – auf eine Art oder Form von Musik spezialisieren. Doch je nachdem, wie wir unser Studium strukturieren und welche Themen wir uns in dessen Lauf schwerpunktmäßig aneignen, rücken diese Kernkompetenzen häufig in den Hintergrund. Sei, es weil in Seminaren – notgedrungen – kaum Zeit bleibt, Musikstücke in Gänze zu hören, sei es, weil wir in einer Welt leben, in der durch die Allverfügbarkeit von Musik die Rezeption immer fragmentarischer zu werden scheint. Wann haben Sie das letzte Mal eine Symphonie ganz durchgehört? Wann ein ganzes Album? 

Einerseits handelt es sich bei dieser direkten Konfrontation mit unserem Untersuchungsgegenstand, der Aufmerksamkeit für Strukturen, Harmonien, Sounds und Konzepte um eine Fähigkeit, die verkümmert, wenn sie nicht regelmäßig auf die Probe gestellt wird. Und trotz dass wir von überallher von Empfehlungsalgorithmen, Influencer*innen und anderen Kuratierungsinstanzen bestürmt werden, so bietet ein gemeinsames Kennenlernen ungekannter oder in der Form noch nicht gehörter Musiken doch eine besondere Möglichkeit, sich neue musikalische Horizonte aufzuschließen. Daher haben wir, die IG Musikwissenschaft und das Kollegium des Institutes für Musikwissenschaft für das kommende Semester ein freies Seminar konzipiert, das als „Versuchsballon“ ein solches Training des „musikwissenschaftlichen Ohres“ anbieten will. Der Ablauf ist einfach: Sie kommen unvorbereitet ins Seminar. Wechselnde Seminarleiter*innen (sowohl Dozierende, als auch Studierende) haben ein Werk ausgewählt, das zunächst in voller Länge gehört wird. Der Begriff „Werk“ soll dabei keinen historischen und geografischen Einschränkungen unterliegen. Nach dem Hören versuchen Sie, das Stück einzuordnen, eigene Gedanken zu äußern und musikalische Analysen und Interpretationen anzubieten, während Seminarleiter*innen hier vor allem moderierend wirken und die Hintergründe vorbereiten.