Geräuschkulturen – medial

MA-Projektseminar (MuWi): Musikwissenschaft integrativ: Klangkulturen / Computergestützte Musikanalyse

Golo Föllmer

Geräusche, Krach und Noise haben im 20. Jahrhundert in der Musik ihre Plätze eingenommen. In dem wichtigsten Vehikel, das sie dafür nutzen, den Speichermedien der Phonographen, des Tonbands und der digitalen Träger, führen sie darüber hinaus aber auch ein Eigenleben, manchmal ganz unabhängig von Musik, manchmal auch mit ihr verbunden. Die Rede ist von Entwicklungen wie Phonography, Soundscape-Forschung, Field Recording, Acoustemology, Sonifikation, Bioakustik und Ökomusikologie, die wir uns in diesem Seminar theoretisch als auch praktisch, hands-on erschließen wollen.

Hinter den Begriffen stehen wissenschaftliche und künstlerische Ansätze, die Audioaufnahmen verschiedenster Formen von Zivilisation und Natur — der Städte, Dörfer und Kulturlandschaften, des Verkehrs und der sozialen Begegnungen, der Maschinen und der Medien, aber auch einer Vielzahl biologischer Habitate — als informativen Ausdruck menschlichen, tierischen und pflanzlichen Lebens betrachten und entweder systematisch auswerten oder mit künstlerischen Mitteln interpretieren. Dabei spielt immer auch das problematische Wechselspiel zwischen Mensch und Natur eine große Rolle, seit einigen Jahren vor allem im Hinblick auf Klimawandel, Artensterben und einen Kontaktverlust des Menschen zur materiellen, organischen und mystischen Lebenswelt des Planeten. Daher entstehen viele Aufnahmen, z.T. im Rahmen von Projekten ›künstlerischer Forschung‹, in ökologischen Problemgebieten einerseits und vergleichsweise unberührter, ›heiler‹ Natur z.B. der Regenwälder andererseits.

Die oben genannten Handlungsfelder erschließen wir uns in allen Fällen auf einem integrierten Weg:
a) wir lesen einschlägige Texte und hören uns in ausgedehnten Listening Sessions wichtige Beispiele an,
b) daraufhin erproben wir die praktischen Vorgehensweisen dieser Ansätze selbst:
• wir machen Field Recordings menschlicher und natürlicher Habitate und laden diese auf eine von ‹phonographers‹ viel genutzte Plattform hoch;
• wir beteiligen uns mit einer ›Streambox‹ an einem Streaming-Projekt, das als Diskursraum für Fragen zum Verhältnis von Mensch und Natur dient;
• wir nutzen Körperschall- und Wassermikrofone, um andernfalls unhörbar leise oder versteckte Geräusche biologischer Prozesse einzufangen;
• wir experimentieren mit Langzeitaufnahmegeräten, die Bioakustiker für das Artenmonitoring nutzen, und werten diese Aufnahmen aus.
Für die Modulleistung eignen sich u.a. das Format des Audio Papers oder des Radiofeatures. Um darauf hinzuarbeiten, werden wir im Seminar bereits mit der Montage der eigenen Aufnahmen experimentieren.